VATER UNSER
„Geheiligt
werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf
Erden"
Band 2
Vorwort
Ich biete dir dieses zweite Meditationsbüchlein über das Gebet, das
Jesus uns fortwährend lehrt, an, als kleinen Beitrag für dein Gebet, für
deine Liebe zum Vater. Er soll immer mehr geliebt werden, Jesus soll immer mehr
gedient werden, der Heilige Geist soll immer mehr angenommen werden.
Danke für dein Gebet und dein Aufopfern an den Vater!
4. DEIN NAME WERDE GEHEILIGT
A.
Jesus fährt fort, seinen Jüngern zu antworten. Sie haben ihn gebeten:
„Herr, lehre uns beten!" Und nachdem Jesus sie zur Betrachtung des Vaters geführt
hat, bringt er sie nun dazu, Bitten zu äußern.
Die Bitten, welche die Betenden vorbringen, sind nicht die Frucht eines
Zurückweichens auf sich selbst, sind nicht egoistische Erwartungen, sondern sie
sind neu, es sind Bitten, die aus der Liebe jenes Vaters quellen, welche die
Betenden betrachtet haben.
Jener Vater, dessen Liebe sie entdeckt haben, hat eine sehr genaue Identität,
hat einen genauen Plan und Willen. Die Jünger Jesu wünschen, daß sich diese
Eigenschaften des Vaters manifestieren und vollenden können.
Diese Bitten sind nicht irgendwelche Fragen: es sind Vorschläge, in die
man mit einbezogen und verwickelt werden will, ja, man will tatsächlich mit
einbezogen werden.
Das Mädchen, das einen Kuchen backen will, bittet die Mutter, sich ans
Werk zu setzen, denn es weiß, daß es in die Arbeit mit einbezogen wird.
Der Bub, der ein Spielzeug wünscht, bittet den Vater, es ihm zu bauen,
wohl wissend, daß er um seine Mitarbeit gefragt wird.
Der Sohn, der die Pläne seines Vaters kennt, wünscht, daß sie
realisiert werden, und deshalb bietet er sich an, stellt sich zur Verfügung, um
mitzuarbeiten, um sich zusammen zu bemühen.
Jesus schlägt demjenigen Bitten vor, der das Beten lernen will.
Indem er Bitten vorschlägt, zeigt er mögliche Arbeitsfelder auf, damit
die eigene Mühe, die eigene Auswahl, das eigene Angebot zur Mitarbeit, das
eigene Leben danach ausgerichtet werden.
Das Gebet des Christen wird so zur genauen Orientierung der eigenen
Existenz, es wir „Ein-sich-Einbeziehen-lassen" in die gleiche Liebesbewegung
des Vaters, es wird zu einer immer vollkommeneren Gemeinschaft mit ihm, mit
seiner Liebe.
Die erste Bitte bezieht sich auf den Namen des Vaters.
„Dein Name werde geheiligt."
Was ist der Name?
Für uns ist der Name nur ein Wort, ein Laut der Lippen, oft ohne
Bedeutung.
Aber der Name ist immer wichtig.
Mit dem Namen wird eine Person identifiziert – es ist nicht wichtig, ob
groß oder klein, ob arm oder reich, ob intelligent oder nicht – mit dem Namen
wird die Person gekennzeichnet, mit dem Namen wird ihre Anwesenheit angezeigt
oder die Erinnerung an sie geweckt. Mit dem Namen kann eine Person gerufen oder
abgelehnt werden. Der Name ist die Person selber, die ihn trägt!
Jeder Mensch hat einen Namen.
Wenn er auf die Welt kommt, ist der erste Liebesakt, den er bekommt, die
Zuweisung eines Namens!
Hat Gott einen Namen?
Auch Er muß identifiziert werden können, bezeichnet als der lebendige
Gott, um nicht mit einem der vielfältigen Gottesbilder verwechselt zu werden,
die vom Menschen erdacht oder dem Menschen vom Feind Gottes eingeflüstert
werden.
Gott, der wahre und einzige Gott, der den Menschen das Leben gegeben und
sie geliebt hat, muß erkannt werden können, ins Gedächtnis gerufen werden können,
mit „seinem Namen" angesprochen werden können, der ihn von den leeren und
unwichtigen Götzen, die mit den Menschen nur eine auf Betrug aufgebaute
Beziehung haben, unterscheidet.
Wir finden deswegen die Frage nicht komisch, die Moses Gott stellt, der
ihn ruft und ihn nach Ägypten zu den Israeliten zurückschicken will: „Gut,
ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: ‚Der Gott eurer Väter
hat mich zu euch gesandt.‘ Da werden sie mich fragen: ‚Wie heißt er?‘ Was
soll ich ihnen darauf sagen?" [Ex 3,13] Die Menschen wollen wissen, woher die
Stimme kommt, die sie ruft, die sie befragt.
Ich will wissen, wer der ist, der mir eine Aufgabe gibt oder der von mir
Gehorsam fordert, denn ich will nicht betrogen werden. Einem Unbekannten kann
man nicht trauen. Ich will mindestens wissen, ob er jemand ist, der gezeigt hat,
daß er mich liebt, oder einer, der mich ausnützen will.
Wenn die Israeliten nach dem Namen fragen, wollen sie wissen, ob jener „Gott"
ein Unbekannter ist oder jemand, mit dem schon eine Beziehung besteht oder eine
Erfahrung, auf die sie ihr Vertrauen setzen können.
Den Namen Gottes kennen, ist also ein legitimes Bedürfnis, ja eine
Pflicht.
Jesus selbst faßt beim letzten Abendmahl im Gebet, das er an den Vater
richtet, sein Wirken mit den Jüngern so zusammen: „Ich habe ihnen deinen
Namen bekannt gemacht."
„Den Namen" Gottes kennen ist notwendig, im Kennen-„Wollen" kann aber
auch eine Versuchung stecken.
4. DEIN NAME WERDE GEHEILIGT
B.
Der Mensch, der den Namen Gottes kennt, könnte ihn mißbrauchen, er könnte
die Macht Gottes aus egoistischen Gründen anrufen, aus Ehrgeiz, oder um sich
andere Menschen gefügig zu machen. Die Versuchung der Magie ist sehr alt: den
Namen eines „Gottes" gebrauchen aus persönlichem Interesse und den Nächsten
zu unterdrücken und auszunützen. Wer weiß, daß er einen Namen Gottes besitzt,
verfällt anderen großen Versuchungen, nicht zuletzt der des Stolzes, sich für
besser als diejenigen zu erachten, welche in ihrem Wortschatz den besonderen „Namen"
nicht besitzen.
Die Antwort, die der lebendige Gott Moses gibt – und durch ihn dem Volk
– will ihnen helfen, all die obengenannten Versuchungen zu meiden. Er
offenbart einen „Namen", der ihnen hilft, ihn zu erkennen mit einer Beziehung
totalen Vertrauens, mit vollem Verlassen auf seine Weisheit, seine Liebe; das
heißt mit Gehorsam. Der Mensch begegnet Gott nicht, indem er ein Wort mehr
kennt, sondern wenn er sich vor ihn als Sohn, als Kind zu stellen weiß.
Der „Name", den Moses empfängt, ist kein besonderer Laut, kein
seltsames Wort; jener „Name" ist der Anfang einer Vertrauens- und
Liebesbeziehung.
„Ich bin der ‚Ich-bin-da‘, will sagen: „Mache dir keine Sorgen,
wie du mich heißen sollst, sorge dich hingegen, mit mir zu sein und mir zu
vertrauen. Ich bin lebendig, ich bin immer da, du kannst mir vertrauen. Ich bin
hier für dich, ich liebe dich, ich kümmere mich um dich, du bist nicht allein,
weder verwaist noch verlassen.
„Ich bin der ‚Ich-bin-da‘"
Es ist nicht ein Name auf deinen Lippen wichtig, sondern das Vertrauen in
deinem Herzen. Ich gebe dir nicht einen Namen als Besitz, ich gebe dir meine
sichere, feste, treue Gegenwart. Hab keine Angst mehr!
„Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs"
„ Du kannst mich im Leben deiner Väter finden. Ich habe schon am Anfang
deiner Geschichte treu gehandelt, habe mich mit dir beschäftigt, bevor du
geboren warst, ich habe deine Existenz mit Weisheit, mit Taten der Vorsehung,
mit Liebesbeweisen und mit Demut vorbereitet. Ich habe die Schritte deiner
Vorfahren gelenkt, dein Leben hängt schon von meinem Handeln ab."
Der Name, der Moses gegeben wurde, ist nicht ein Wort zum Aussprechen,
sondern der Anfang einer Beziehung, mit der man auf die bereits gewährte Liebe
Gottes antwortet. Wenn wir tief in diesen Namen Gottes eindringen, merken wir,
daß dies schon eine große Vorbereitung ist, um als Kinder mit ihm, mit dem
Vater, zu leben!
Der Evangelist Johannes erzählt öfters, daß Jesus sich selber mit dem
Ausdruck
„Ich bin" bezeichnet!
„Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, daß
Ich es bin. Ihr werdet erkennen, daß Ich nichts im eigenen Namen tue, sondern
nur das sage, was mich der Vater gelehrt hat." [Joh 8,28]
Gott, der Gott der Väter und des Mose, der verheißungstreue Gott, läßt
sich identifizieren und läßt sich kennzeichnen durch die Person Jesu. Er
offenbart sich im erhöhten Sohn, im bis zum Tod gehorsamen Sohn, im Sohn, der
die Liebe ans Kreuz, ja selbst in die Tiefe und Finsternis des Todes trägt.
Die Treue Gottes gegenüber dem Menschen, die Fülle der Liebe, die den
Menschen geschaffen hat und ihm fortwährend beisteht, offenbart sich in Jesus.
Jesus ist der „Ich bin", die Liebe, mit der Gott die Welt liebt.
Jesus ist es, der das wahre Gesicht Gottes zeigt, der ihn zeigt als
denjenigen, der das Leben gibt, als Vater: „Wer mich sieht, sieht den Vater!"
„Ich und der Vater sind eins!" Der Name Gottes, jenes Gottes, der Vater für
die Menschen ist, ist die Person Jesu. „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren
Gottes." [Kol 1,15] „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist
und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht." [Joh 1,18] Wir können in
der Person Jesu den Namen Gottes sehen, denn es geschieht durch Ihn, daß der
Gott der Väter, der Vater, der die Menschen und die Welt liebt, sich begegnen
und lieben läßt.
Den Menschen gefällt es, einen Namen Gottes zu kennen, als Wort zu
gebrauchen, um sich zu unterscheiden und sich für die wahren Anbeter zu halten
und so die anderen als Unwissende oder Verlogene zu verurteilen. Aber dies ist
eine der Versuchungen Satans, der den Menschen daran hindern will, den Vater zu
kennen und daher auch sich selber zu erkennen als Kind Gottes und Bruder aller.
Ein Name, wenn er auch noch so schön oder sonderbar scheinen mag, kann
„vergebens" ausgesprochen werden, er kann also wie etwas Leeres ausgesprochen
werden, als ob er nicht die Fülle der Liebe beinhalten würde; er kann
ausgesprochen werden, wie man den Namen eines Götzen ausspricht. Ein Name
Gottes könnte ohne Verbindlichkeit zu lieben ausgesprochen werden, ohne Liebe
zu zeigen. Dies wäre eine Ausdrucksform, die keine Beziehung zwischen Ihm und
uns aufzeigt, wie der Name irgendeiner Person, mit der wir nichts zu tun haben
oder – schlimmer - von der wir die Geheimnisse und „die Macht" besitzen.
Ein Name könnte sogar für ein Bild eines Gottes verwendet werden, das
vom Menschen gebildet wird, von seiner Phantasie, von seiner Intelligenz, von
seinen Interessen, die mehr oder weniger Ehrgeiz, Macht und Vergnügen verbergen.
Wir danken dir, Vater, daß du uns keinen anderen Namen gegeben hast,
dich anzurufen, als das Wort, mit dem die Kinder ihren Vater rufen!
Wir danken dir, daß du deinen Sohn Jesus vor unsere Augen gestellt hast,
um dich kennenzulernen und um unsere Liebesbeziehung mit dir aufzunehmen.
4. DEIN NAME WERDE GEHEILIGT
C.